2009.07.30-08.03 - Černivcii (UA) - Mizhhir''ya (UA)

Da wir nicht nach Weissrussland fahren, können wir uns die 500km Ebene Kiev schenken und statt dessen ein paar Kurven durch die ukrainischen Karpaten drehen. Die Freude über die kleinen Strassen von Černivcii zurück in die Hügel ist nur von kurzer Dauer, denn nach wenigen Kilometern befahren wir losen Schotter. Es fühlt sich an, als hätten wir extremes Aquaplaning, wir schwimmen über die Schotterpiste und hoffen einfach, dass es nicht all zu lange geht. Wenn ein motorisiertes Fahrzeug vorbeirast, holen wir jedes Mal tief Luft und tauchen in den dichten Staubnebel ab. Meistens reicht die Luft aber nicht, bis sich der Nebel verzogen hat, dann beginnt das Knirschen auf den Zähnen, zwei, drei Mal Husten, in alle Himmelsrichtungen spucken und schon ist es überstanden. Noch nie dauerten 15km so lange. Dann aber sind wir zurück auf gemütlicheren Strassen und stellen fest, dass wir die gleiche Strecke auf der anderen Seite des Flusses auf super Strassen hätten fahren können - was wohl auch der Grund ist, wieso die gefahrene Seite nicht asphaltiert ist - grrrr!

Da und dort gibt's was zu winken, zurückzugrölen ansonsten fahren wir entlang des Flusses Pruth Richtung Karpaten. In Vyzhnytsya direkt am Fusse der Karpaten wollen wir übernachten. Eine Unterkunft finden wir aber nicht direkt, weshalb wir in der kleinen Fussgängerzone fragen. Sofort haben wir drei Leute um uns, die sich streiten, welches für uns wohl die bessere Unterkunft sei. Wir entscheiden uns für das Sportzentrum. Der Neubau mit dazugehöriger Sportanlage vermietet ein paar Zimmer, wenn sonst nichts läuft. Seit wir nach der Unterkunft gefragt haben, hängt sich die aufgeregte Anna hartnäckig im Schlepptau. Sie spricht nur einzelne Wörter englisch, redet aber wie ein ganzes Ukrainischlexikon auf uns ein. Dabei verstehen wir nicht, was sie eigentlich will und fahren die skeptische Schiene. Irgendwann sprudelt es aus ihr heraus '...Anna english lesson'. Sie will uns weder was verkaufen oder erhofft sich Geld aus der Schweiz, nein, sie möchte einfach ein bisschen englisch lernen. Morgens treffen wir sie wieder zum Kaffe, wobei sie ein ganzes Frühstück in ihrem Büro auffährt und uns ihre Fotoalben mitbringt. Damit ist die Kommunikation einfacher und wir erfahren auch, dass sie Künstlerin ist und nebenbei für Oriflame arbeitet. Zum Abschied erhalten wir natürlich ein Oriflame Parfum und eine Seife. Seither verfolgt uns der schwedische Kosmetikhersteller, überall sehen wir das Logo. Die scheinen im Osten recht bekannt zu sein.
Nun sind wir zurück in den Waldkarpaten, wie wir sie von der Tour 2007 kennen. Einfach traumhaft zum Radfahren. 2008 scheinen hier heftige Unwetter geherrscht zu haben, denn das Tal entspricht einer einzigen Baustelle. Der Fluss hat abschnittsweise die Strasse schlicht verschwinden lassen. Jetzt wird richtig hartes Geschütz aufgefahren und die Ufer mit Stahl und Beton befestigt. In 10 Jahren ärgert man sich darüber und in 20 Jahren wir alles für unglaubliche Summen zurückgebaut - ist meine Prognose!

Es rollt sich einfach so dahin durch die beschauliche Landschaft. Da und dort erscheint alles wie in einem grossen Freilichtmuseum, nur das auch der hintersten Ecke das Zeitalter des Mobiltelefons angekommen ist. In unserem Reiseführer sind zwar immer wieder Sehenswürdigkeiten beschrieben, die wir aber vor Ort einfach nicht finden. Nur in Jasinja finden wir die kleine Strukovs'ka-Holzkirche aus dem 18. Jahrhundert, die wegen ihrer Bedeutung für die Huzulen an der Strasse sogar mit einem Pfeil versehen ist. Bei der Ausfahrt von Rachiv werden wir unfreiwillig an einer Barriere gestoppt. Ein Mann im Tarnanzug will unsere Pässe sehen und möchte wissen, was wir hier machen, woher und wohin, dann notiert er was in seinem Block und lässt uns weiter ziehen. Die Ukrainisch - Rumänische Grenze ist zwar noch über 10km Luftlinie entfernt und Wege gibt es weit und breit keine, nur Wald, Wald und Wald mit Hügeln. Nur wenig weiter befindet sich einer der diversen geografischen Mittelpunkte Europas, schön mit Stein markiert und touristisch vermarktet. Von diesen geografischen Mittelpunkten gibt es im Osten Europas anscheinend einige und jedes Mal ist es der echte Mittelpunkt.

Auch wenn in der Ukraine wildes Zelten nichts Aufsehen erregendes ist, ist für uns das Auffinden geeigneter Stellen eher schwierig. Es gibt nur sehr wenige Land- und Forstwirtschaftswege, die etwas ins Abseits führen. Dafür sind die Unterkünfte mit 6-10.- € für ein Doppelzimmer sehr günstig und mit den ukrainischen Jugendherbergen sind wir ganz zufrieden. Die ukrainische Jugendherberge nennt sich Turbasa und lässt sich beinahe in jedem grösseren Dorf finden. Die Anlagen sind zwar meistens erheblich am verlottern und an die Sauberkeit darf man auch keine all zu hohen Ansprüche stellen. Immerhin gibt es meistens warmes Wasser und immer eine Duschmöglichkeit.