15.08.2004 - Estland
- Tagesstrecke: 77 Km
Von Tallinn fahren wir Richtung Süden entlang der Küste, immer auf der Hut vor dem nächsten Regenguss. Bei Paldiski wollen wir auf einer Landzunge übernachten. Entlang einer der wenigen Steilküsten im ganzen Baltikum führt ein Wanderweg durch unwegsames Gelände, der uns etwas Abwechslung zur breiten Asphaltstrasse bietet. Während der ganzen Fahrt fragen wir uns, wieso die Terrainoberfläche so eigenartig geformt ist. Eine trichterförmige Mulde nach der anderen und zwischen durch unnatürlich wirkende Erdhügel.
Am Kap der Landzunge finden wir einen zerfallenden Späherturm der russischen Armee. Wir sind fasziniert und beschlagnahmen die Immobilie gleich als Unterkunft für die Nacht. Wir binden die Stromkabel, die kreuz und quer durch "unser" neues Zimmer hängen etwas bei Seite und befördern all unser Material mit einer Leine auf den Turm.
Es ist zwar etwas windig auf dem Turm und wir müssen nachts aufstehen, um die offenen Fenster mit einer Tasche zu verschliessen, da uns der Regen ansonsten quer durch die Wohnung peitscht. Dafür entfällt aber der lästige Zeltaufbau für ein Mal.
Später erfahren wir, dass die russische Armee auf der Pakri-Halbinsel und den vorgelagerten Inseln eine mysteriöse Sperrzone pflegte. Auch als Estland die Unabhängigkeit erlangte, wurde dieser Flecken Land bis 1994 weiterhin von der Roten Armee besetzt. Dabei wusste niemad, was sich dort tatsächlich abspielte. Als die Landzuge wieder frei zugänglich wurde, war das Erstaunen über die freundlichen Geschenke der Besatzer gross. Es stellte sich heraus, dass Russland hier zwei atomare Versuchsreaktoren betrieb und die vorgelagerten Pakri-Inseln zu Testszwecken benutzten. Dabei sollen unter anderem auch schmutzige Sprengköpfe zum Einsatz gekommen sein. Estland erbte somit ungewollt die nuklearen Hinterlassenschaften der vergangenen 50 Jahre.
Das erklärte uns schliesslich auch die eigenartige Kraterlandschaft.
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14.08.2004 - Estland
Narva, eine historische Stadt an Europas Aussengrenze zu Russland, die sich mal in dänischen, mal in deutschen, in schwedischen und immer wieder mal in russischen Händen befand. Stets war die Stadt im Zentrum der Konflikte um Gebietsansprüche zwischen Ost und West. Vor allem unter der schwedischen Krone gelangte Narva zur architektonischen Hochblüte, wobei die Bezeichnung des "Narva-Barocks" entstand.