14.08.2004 - Estland
- Tagesstrecke: Ruhetag
Narva, eine historische Stadt an Europas Aussengrenze zu Russland, die sich mal in dänischen, mal in deutschen, in schwedischen und immer wieder mal in russischen Händen befand. Stets war die Stadt im Zentrum der Konflikte um Gebietsansprüche zwischen Ost und West. Vor allem unter der schwedischen Krone gelangte Narva zur architektonischen Hochblüte, wobei die Bezeichnung des "Narva-Barocks" entstand.
Während dem Zweiten Weltkrieg bildete die Kulturstadt und der Grenzfluss eine lange und hart umkämpfte Grenze, die im Rückzugsgefecht von 1944 durchbrochen wurde. Dabei wurde die Stadt Narva zu 98% in Schutt und Asche gelegt. Eines der Relikte, welches das russische Bombardement 1944 zu einem Teil überstanden hatte, ist die am linken Flussufer stehende Hermannsfeste, die durch den deutschen Ritterorden im 14. Jahrhundert begründet wurde. Im 50m hohen markanten Turm, dem Langen Hermann, kann auf unzähligen Stockwerken die Geschichte der Stadt nachverfolgt werden. Leider sind die meisten Informationen nicht in Englisch vorhanden. Zur Belohnung für die Treppenwanderung, erhält man vom hölzernen Wehrgang auf dem Turm einen faszinierenden Weitblick. Von hier oben erhält man einen Eindruck von der massiven Trotzburg am rechten Flussufer, der russischen Festung Ivangorod, die durch den Zaren Ivan III um 1492 als Reaktion auf die baulichen Aktivitäten der deutschen Ritterorden erstellt wurde.
Die einzige Verbindung zwischen der strak aufgerüsteten EU-Aussengrenze und Russland ist die "Brücke der Freundschaft", über die so manch feindseliger Besuch in beide Richtungen stattfand. Der Grossteil dieser Stadtbevölkerung (97%) sind russischer Herkunft, die während der russischen Besatzung angesiedelt wurden. Sie wollen die estnische Landessprache par tout nicht anerkennen, bezeichnen sich zwar als Esten, aber nennen Vladimir Putin als Präsidenten. Verschiedene Anstrengungen des estnischen Staates zur Integration und erleichterten Einbürgerung der russischen Bevölkerung führte bisweilen nicht zum Erfolg
So sind Beschriftungen in der Stadt teilweise immer noch in kyrillischer Schrift vorzufinden, wovon wir am Bahnhof von Narva ein Liedchen singen können. Eigentlich wollen wir uns dort lediglich über die Rückreise nach Tallinn mit der Bahn informieren. Aber da ist einerseits nur eine Tafel in Kyrillisch mit den Abfahrtszeiten und andererseits eine eher schlecht gelaunte Beamtin am Schalter, die sich erst stumm gibt und dann einen russischen Wasserfall an Informationen auf uns niederprasseln lässt. Äämmm, können Sie das bitte nochmals wiederholen! Als wir hartnäckig vor dem milchigen Schalterfenster stehen bleiben, mit Händen und Füssen, auf Englisch und Deutsch unser Bestes geben, klappt es irgendwie, dass sie versteht das wir nach Tallinn wollen und sogar, dass wir Fahrräder dabei haben. Ein Zettelchen mit ein paar krackeligen Notizen wird uns überreicht. Grandios! Abfahrtszeit und Preis stehen da. Nur, dass wir die Tickets für die Fahrräder erst direkt im Zug lösen sollen, macht uns noch skeptisch.
Die Rückfahrt mit der Bahn ist unausweichlich, da wir zu lange an der Küste entlang dümpelten. Nun fehlt uns die Zeit, um in Ruhe den Rückweg anzutreten und zur rechten Zeit in Klaipeda auf der Fähre zu sein.
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